Nowoworonesh

Kernkraftwerk Nowoworonesh

Foto: Rosatom

 

Die Atomstation von Nowoworonesh, einer Trabantenstadt 42 Kilometer nordwestlich der Stadt Woronesh und 350 Kilometer südlich von Moskau gelegen, war seinerzeit das erste russische WWER-Kernkraftwerk. Insgesamt wurden im Laufe der Zeit in Nowoworonesh fünf WWER-Reaktorblöcke errichtet, jeder einzelne war ein Pilotprojekt und Prototyp späterer Standardbaureihen.
Die Reaktorblöcke 1 (ein WWER-210-Reaktor) und 2 (WWER-365) hatten eher den Charakter von Forschungsreaktoren. Es ging darum, die sowjetische Druckwasser-Reaktorlinie praktisch zu erproben. Aus den in Nowoworonesh in den 60er Jahren gewonnenen Erkenntnissen wurde dann der Serienreaktor WWER-440 entwickelt.


Block 1 wurde im Jahr 1965 in Betrieb genommen, der verbesserte zweite Block im Jahr 1969. Da ihr Sicherheitsstandard jedoch noch recht niedrig und gleichzeitig der in ihnen produzierte Strom sehr teuer war, wurden sie 1988 bzw. 1990 stillgelegt.


Heute arbeiten in Nowoworonesh noch drei kommerzielle WWER-Reaktoren, zwei WWER-440, die in den Jahren 1971 und 1972 ans Netz gingen, sowie ein modernerer WWER-1000, Erstbetrieb 1980.
Auch diese drei Reaktoren waren Prototypen, jedoch können sie dank diverser Verbesserungen gegenüber ihren "Vorgängern" heute relativ sicher und wirtschaftlich betrieben werden - sie decken 90 Prozent des Strombedarfs der Woronesh-Region.


Es ist damit zu rechnen, dass die beiden alten WWER-440 Reaktoren der Blöcke 3 und 4 in absehbarer Zukunft endgültig abgeschaltet werden, sind sie doch schon knapp dreißig Jahre in Betrieb und bei weitem nicht so wirtschaftlich und effizient wie die moderneren WWER-1000-Reaktoren, von denen Russland zur Zeit sieben Stück betreibt.


Der Sicherheitsstandard in Nowoworonesh ist mit dem anderer WWER-Atomkraftwerke in Russland zu vergleichen und liegt damit höher als jener der russischen RBMK-Anlagen in Sosnowi Bor, Smolensk und Kursk.


Im Dezember 2000 geriet das AKW Nowoworonesh jedoch in das Blickfeld diverser Umweltschutzorganisationen. Wissenschaftler entnahmen damals dem Fluss Don, an dessen Ufer das Atomkraftwerk steht, Sedimentproben und dem Wald, der das Kraftwerk von der Wohnstadt seiner Beschäftigten trennt, Bodenproben. Die Analyse brachte Besorgnis erregende Werte radioaktiver Kontamination zu Tage.

Doch damit nicht genug: 500 Kilometer flussabwärts in der Nähe der Stadt Rostow entsteht zur Zeit ein weiteres WWER-1000-Kernkraftwerk. Journalisten untersuchten auch dort, in der Nähe der Baustelle, das Sediment des Dons, um Vergleichswerte für spätere Untersuchungen, wenn der Rostow-Reaktor dann am Netz ist, zu gewinnen. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatten, war, dass sie schon bei ihrer ersten Probenentnahme hohe Konzentrationen von Cäsium-137 (6000 Becquerel/Kg) und eine Hintergrundstrahlung der Proben von 500 Mikro-Röntgen pro Stunde (Normalwert: 20 Mikro-Röntgen pro Stunde) nachweisen würden.


Da diese Verseuchung unmöglich von der WWER-Baustelle in Rostow herrühren kann, verfolgte die Gruppe aus Journalisten und Naturwissenschaftlern den Don flussaufwärts und stieß dabei auf das AKW Nowoworonesh, dessen Verantwortliche die Beschuldigung, für die weitreichende Verseuchung des Dons verantwortlich zu sein, selbstverständlich weit von sich wiesen.


Nun, stichhaltige Beweise, dass die Verseuchung tatsächlich aus Nowoworonesh stammt, konnten nicht erbracht werden, doch die Indizien sprechen für sich. Viele Fragen sind bis heute ungeklärt.