Südukraine
Nach seiner geographischen Lage nahe
der ukrainischen Schwarzmeerküste in der Südukraine, ist das
recht moderne Atomkraftwerk von Jusnukrainsk. benannt.
Die drei WWER-1000-Reaktoren wurden im Oktober 1983 (Block 1), April
1985 (Block 2) und Dezember 1989 (Block 3) in Betrieb genommen. Berüchtigt
ist die Anlage von Jusnukrainsk aber für den außergewöhnlich
hohen Grad an Schlamperei und Verantwortungslosigkeit, den die Belegschaft
und die Leitung an den Tag legen. Dies ist auch der Grund, weshalb das
Kernkraftwerk Südukraine trotz seines recht modernen Reaktordesigns
in unserer Risikoeinschätzung oberhalb vergleichbarer Anlagen rangiert.
Ein kurzer Auszug aus der langen Liste von Störungen und Schlampereien:
1991: Das Kraftwerk übernimmt unter den ukrainischen Atomanlagen
(und dazu zählen unter anderem auch Tschernobyl und Saporoshje)
die Spitzenposition bei der durchschnittlichen Anzahl ungeplanter Schnellabschaltungen
pro Block und Jahr.
September 1992: Ein Bedienungsfehler führt zum Versagen eines Dampfabscheide-Ventils
- der Störfall bekam die IAEO-Klassifizierung Stufe 2 (Vgl. Skala
auf dieser Website).
Frühling 1993: Verkalkung der Kühlwasser-Leitungen aufgrund
chronischen Mangels an chemischen Reinigungsmitteln.
Mai 1993: Notabschaltung von Block 3 wegen eines Wasserstofflecks im
Turbinen-Kühlsystem
April 1994: Während einer Routineüberprüfung wird ein
Defekt im Reaktorschutzsystem des Dampfgenerators festgestellt und nicht
in der vorgeschriebenen Zeit behoben - Störfall-Stufe 2
Dezember 1995: Radioaktives Wasser leckt aus einem Rohr auf den Boden
des Kraftwerks und kontaminiert eine 30 Quadratmeter große Fläche,
da das Leck erst einen Monat später entdeckt wird.
Diese fortgesetzte Schlamperei paart sich zu allem Übel auch noch
mit der beinahe schon sprichwörtlichen Verantwortungslosigkeit
der Kraftwerksleitung. In einem in der Geschichte der Atomenergie wohl
einmaligen Vorgang wurden im November 1992 die Sicherheitssysteme der
Reaktoren einfach abgeschaltet, um die Stromproduktion zu steigern.
Sogar die nicht als sonderlich kritisch und umsichtig bekannte ukrainische
Atomaufsichtsbehörde forderte daraufhin in einem Schreiben den
zuständigen Minister in Kiew auf, den Leiter des Kernkraftwerks
Südukraine, Wladimir Fuks, aufgrund vorsätzlicher Verletzungen
der Sicherheitsvorschriften und des generell "unbefriedigenden"
Sicherheitsniveaus zu feuern. Die staatliche Betreiberorganisation "Ukratomenergoprom"
sah jedoch keine Veranlassung, dem Drängen der Aufsichtsbehörde
nachzukommen - Fuks blieb im Amt.
Seit Mitte der 90er Jahre hat sich in Jusnukrainsk jedoch einiges getan.
In Zusammenarbeit mit westlichen Unternehmen sowie Partnerkraftwerken
wie dem deutschen Atomkraftwerk Grohnde wurden seitdem mehrere Millionen
Dollar in die Betriebssicherheit investiert, etwa in moderne Reaktorschutz-
und Kontrollsysteme.
Dennoch leidet die Anlage - wie andere Anlagen in der Ukraine und Russland
auch - bereits seit Jahren unter massiven Finanzierungsproblemen. Wichtige
Anlagen werden kaum mehr gewartet, geschweige denn ausgetauscht, und
die Beschäftigten erhalten ihren Lohn nur unregelmäßig
ausgezahlt. Im letzten Herbst brachte ein im Kraftwerk beschäftigter
Schlosser, der seit Monaten keinen Lohn mehr bekommen hatte, seine Unzufriedenhiet
zum Ausdruck, indem er während der Arbeitszeit einen Sabotageakt
verübte, der zur Notabschaltung aller drei Reaktoren führte.
Ihm wurde im Anschluss fristlos gekündigt.
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