Bjelojarsk

Kernkraftwerk Bjelojarsk

Foto: Rosatom

 

In Bjelojarsk, einer zentralrussischen Stadt, 50 km entfernt von der Millionenstadt Jekaterinburg im Ural gelegen, nahm am 26. April 1964 (auf den Tag genau 22 Jahre vor der Tschernobyl-Katastrophe) das erste zivile Kernkraftwerk der Sowjetunion seinen Betrieb auf - ein kleiner experimenteller RBMK-Reaktor mit einer Leistung von lediglich 100 MW. Im Jahr 1967 ging rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution der zweite Block in Betrieb, ebenfalls ein Experimental-RBMK, allerdings mit einer Leistung von 200 MW.

Bis zu ihrer Stillegung im Jahre 1989 erlangten die Bjelojarsker RBMKs dank einer extremen Unfallserie traurige Berühmtheit. Allein zwischen 1964 und 1979 brannten im ersten Block mehrmals Brennelemente durch. Die Reparaturen erfolgten jeweils unter unzulässig hoher Strahlenbelastung des Personals. Im Jahr 1977 wurden im zweiten Block sogar die Hälfte aller Brennelemente der aktiven Zone zerstört. Die Instandsetzung, erneut unter sträflicher Vernachlässigung des Strahlenschutzes, dauerte über ein Jahr.


Haarscharf an einer Katastrophe schrammte Bjelojarsk dann in der Silvesternacht 1978/79 vorbei. Ein Kurzschluß setzt die Turbinenhalle der beiden Reaktoren in Brand. Das Dach stürzt ein und zerstört das Öl-Vorratslager. Brennendes Öl läßt den Brand außer Kontrolle geraten. Alle Meßleitungen und Kabelsysteme verbrennen, die Kühlwasserversorgung der Reaktoren bricht zusammen. Die RBMKs geraten außer Kontrolle. Bei der Brandbekämpfung werden 1200 Feuerwehrleute eingesetzt (mehr als in Tschernobyl). Die Kontrollräume der Reaktoren sind voller Rauch. Die Operatoren rennen hinein, drücken ein paar Knöpfe und laufen wieder nach draußen, um Luft zu holen. Viele verlieren das Bewußtsein, müssen aber nach einer kurzen Pause weiterarbeiten, da nur sie die Reaktoren retten können. Die Kraftwerksleitung entscheidet unterdessen, die Bewohner der Umgebung auf eine Evakuierung vorzubereiten. Eine Tragödie scheint unausweichlich, doch gegen Morgen bekommt die Feuerwehr den Brand endlich unter Kontrolle, buchstäblich in letzter Sekunde, denn eine Kernschmelze steht in beiden Reaktoren unmittelbar bevor.


Die Bilanz des Unfalls: Acht Personen werden schwer verstrahlt, und in Jekaterinburg bricht eine Panik aus, als die Menschen Gerüchte von dem brennenden Atomkraftwerk in Bjelojarsk hören.
Trotzdem wurde schon ein Jahr später, am 2. April 1980, in Bjelojarsk ein schneller Brüter vom Typ BN-600 in Betrieb genommen, der bis heute den berüchtigten Atomstandort Bjelojarsk am Leben hält. Ein zweiter Schneller Brüter befindet sich bereits im Bau.